Von Ernst August Wolf

Mehr als 150 Oldtimer rollen zum Borgward-Treffen auf den Hefehof HAMELN. Nick Driscoll aus dem englischen Guildford legt letzte Hand an seinen bordeauxrotes Borgward-Coupé und poliert noch einmal die Motorhaube nach. „Ich habe drei Borgwards“, erzählt der Brite. „Das hier ist mein jüngster. Baujahr 1960.“ Driscolls Oldtimer ist einer von mehr als 150, die an diesem Samstagmorgen nach und nach auf den Hefehof rollen. Immer wieder müssen die zahllosen Besucher zur Seite treten, um einen chromblinkenden Oldtimer vorbeizulassen. Die Carl F. W. Borgward Interessengemeinschaft veranstaltet ihre 42. internationale Jahrestagung.

Am Wochenende war der Hefehof zum ersten Mal Schauplatz einer Borgward-Invasion aus ganz Deutschland und Europa. „Skandinavien, England, Niederlande, Belgien“, zählt Hartmut Loges – Vorsitzende der 1973 gegründeten, derzeit 700 Mitglieder starken Interessengemeinschaft – die Herkunftsländer der Teilnehmer auf. Mit dabei auch der Borgward-Enkel Christian und seine Lebensgefährtin Alina Denczyk. Der 50-Jährige hat die Wiederbelebung der Marke Borgward initiiert. „Borgward is back“, verkündet er zuversichtlich. „Ich glaube, die Kultmarke hat eine zweite Chance verdient. Zumal der Konkurs damals gar keiner war. Wir gehen mit der neuen Produktion über die Schwellenländer und produzieren derzeit drei Modelle in der Nähe von Peking.“ Nicht nur das elegante Design versucht Christian Borgward, in die Gegenwart zu übertragen („Eine äußerst schwierige Aufgabe“), auch die legendäre Karriere seines Großvaters, der sich als Wirtschaftswunderkind vom Kohlenhändler zum Autoproduzenten einer Kultmarke hocharbeitete, will der Enkel durch den Neustart würdigen und in Erinnerung halten. Für den Ort des Jahrestreffens ist Borgward des Lobs voll. „Das Ambiente des Hefehofes korrespondiert aufs Beste mit dem Stil der Fahrzeuge.“ Nicht nur der Enkel des Autofabrikanten ist sich sicher: „Das ist das wunderschönste Auto der Welt.“

Die Wagen sind von Besuchern dicht umlagert, es wird gefachsimpelt, Autoschicksale machen die Runde. Georg Knopps Fahrzeug etwa stammt aus Kalifornien und fällt durch die Farbkombination Weiß und Lachsorange auf. Der 77-jährige ehemalige Kfz-Mechaniker aus Isernhagen hat das Auto von einem Freund erworben, der es von der Hochzeitsreise aus Amerika mitgebracht hatte. „Da hatte der Wagen 500 000 auf der Uhr und ich habe ihn dann selber restauriert“, erzählt er stolz. „Nein, das ist kein kostspieliges Hobby für betuchte ältere Herren“, widerspricht der stellvertretende Vorsitzende der IG, Ulrich Kotte aus Isselburg. Der 65-Jährige war Kfz-Sachverständiger. Er weist aber auch darauf hin, dass ein Oldtimer angesichts der Niedrigzinspolitk durchaus eine Anlagemöglichkeit sei. „Die halten und steigen im Wert“, stellt er fest. Dabei seien die Modelle auch für junge Familien durchaus günstig zu erwerben. „Die bekommen sie schon ab 10 000 Euro, im Schnitt liegen sie so bei 20 000 bis 50 000 Euro.“ Natürlich gäbe es auch „Ausreißer“ wie Rennmodelle oder Coupés, die weit höher gehandelt würden. An Ersatzteilen jedenfalls herrscht kein Mangel, wie ein Blick auf den großen Teilemarkt beweist. „Wir haben einfach alles“, erklärt Robert Steen aus den Niederlanden. Zusammen mit seinem Bruder hat der Händler aus Nijmwegen alle erdenklichen Teile vom Tacho über flugrostbehaftete Getriebe bis hin zu einem Schwung Gummidichtungen für den P 100 vorrätig. „Vom Schrottplatz und dann wieder aufgearbeitet“, erklärt der Niederländer.

Drei Tage lang dreht sich alles um die Kultmarke. Das Oldtimer-Treffen des Fördervereins der Fahrzeuggeschichte und des Motor-Veteranen-Clubs brachte gestern noch andere automobile Schätzchen an den Hefehof. Nach einer gemeinsamen Ausfahrt zum PS-Speicher in Einbeck, machten sich indes die Borgwards auf die Heimfahrt. Aus eigener Kraft. Nur der alte Lloyd 600 aus dem Automuseum aus dem bayerischen Gunzenhausen wird wieder auf den Hänger geladen. „Eine tolle Veranstaltung, die auch unsere Automuseum im Hefehof gutgetan hat“, freut sich dessen Chef, Reinhart Burkhart, und Teile-Guru Hartmut Landsiedel, der „beim Borgward jede Schraube kennt“, stellt klar: „Borgward is back and keeps rolling.“

Dewezet Hameln 22.08.16