Von Karin Rohr

Hameln. Liebe - das ist Nähe, Vertrautheit, Zärtlichkeit, Glück, Leidenschaft und Erfüllung. Aber auch: Verwirrung, Aufruhr, Verzweiflung, Melancholie, Schwermut, Schmerz und manchmal: Verzicht. Vor allem aber: Sehnsucht. Dieses alles verzehrende, maßlose Sehnen nach der oder dem Liebsten ist immer wieder in Worte gefasst worden. Wie es klingt, wenn Dichter und Liedermacher ihr Herz ausloten, führten Traute Römisch und Rainer Steinkamp am Donnerstagabend im gut besuchten HefeHof-"Lalu" in einer szenischen Rezitation ebenso herzergreifend wie unendlich komisch und höchst amüsant vor. Eine sehnsuchtsschwangereLesereise unter dem Motto "Hörst du mein nächtliches Flehen?".

Wer die beiden kennt, weiß, dass hier nicht öffentlich gelitten wird. Und so findet das Duo auch für melodramatische Momente immer wieder ein heiteres Ventil, wenn es in gefühlsgeladenen Dialogen die Liebesbotschaften so bekannter Dichter wie Rilke, Brecht, Kästner, Ringelnatz, Gernhardt, Fried oder Grass hoff auf die Reise in die Nacht schickt. Seufzend, säuselnd und mit seelenvollem Flehen übernimmt Steinkamp den romantischen Part, setzt ironisch überzeichnetes Pathos gegen Traute Römischs burleske Komik und aufreizende Naivität. Sie stutzt ihn, wenn er sich ans Herz greift und anbetend auf die Knie sinkt. Er kontert: "Da ist schon Ivan Rebroff dran gescheitert!", wenn sie mit seligem Lächeln "Dein ist mein ganzes Herz" intoniert.

Fragt ein Rilke glutvoll in seinem "Liebes-Lied": "Wie soll ich meine Seele halten, dass sie nicht an deine rührt?", so ist ein Robert Gernhardt schon sehr viel nüchterner: "Ich habe ein großes Gefühl für dich. Soll ich es dir vorbeibringen oder willst du es abholen?"

Und dann gibt's da auch noch den kleinen Unterschied zwischen den Geschlechtern: "Ich weiß nicht, was soll es bedeuten...?" sinniert Traute Römisch, während Rainer Steinkamp nur profan dazu feststellt: "Männer würden es kürzer fassen." Sein Beweis, ein Zitat: "Süße Nacht, du stille Nacht, komm, stille mein Verlangen."

Wenn dieses Duo auf Liebespfaden weilt, wird gehofft und geseufzt, vor Fenstern gefleht, der Mond angeheult. Da werden süßliche Verse im Schreibmaschinentakt mit Interpunktions-Hinweisen versehen, mit zuckriger Stimme die tausend Kosenamen der Henriette Vogel an Heinrich von Kleist verlesen, ist Sehnsucht mal melancholisch, mal lustbetont, in ihrer Tragik bisweilen auch komisch und ab einem bestimmten Leidensgrad höchst amüsant.

Nur mit Taschentuch zu singen: Walter Hedemanns "Verlassene Jägersbraut", heitere Zugabe am Ende einer äußerst vergnüglichen Lesereise zum Thema - Liebe.

© Dewezet, 04.11.2006