Von Jürgen Schoormann
Hameln. Zum vierten mal fand in der "Lalu-Traumfabrik" im Hamelner Hefehof das "Jazztival" statt, in diesem Jahr mit einem Star unter den jungen deutschen Jazzmusikern: Nils Wülker und seine Combo konnten von den Hausherren, dem Ehepaar Dietz, zusammen mit dem Kulturbüro der Stadt Hameln engagiert werden.

Zu Beginn des Abends hatte die Formation "Unique" aus Hannover die undankbare Aufgabe, als Vorgruppe den Auftritt des Stars vorzubereiten. Und sie tat das mit viel Tempo und spürbarer Spielfreude, angeführt von einer Sängerin (Anne Prenzler), die ebenso sicher wie energisch zupackte. Michael Cammann am Bass und Thomas Richter am Schlagzeug schufen ein sicheres Fundament, Helge Adam als Arrangeur und am Piano hielt das Ganze zusammen und überzeugte mit einfallsreichenSoli.

Kurz nach 21 Uhr dann: Auftritt der "Nils Wülker Group". Der 29jährige Trompeter mit einer klassischen Ausbildung kam erst relativ spät zum Jazz. Initialzündung war, wie er im Gespräch sagte, die Begegnung mit dem Titel "Cantaloupe Island" von Herbie Hancock mit dem Trompeter Freddie Hubbard, der noch heute zu seinen Vorbildern zählt.

Nils Wülker kam nach Hameln mit einer hervorragend eingespielten Truppe: am Altsaxophon Jan von Klewitz - mit ihm spielte er, abwechselnd auf Trompete und Flügelhorn, schöne Unisono-Partien oder die beiden lieferten sich heftige Dialoge, wobei Klewitz sein Instrument gelegentlich bis in die Höhen eines Sopransaxophons trieb (für meine Ohren nicht immer ein Genuss).

Lars Duppler am Piano leistete nicht nur sichtlich körperliche Schwerarbeit, sein Spiel war auch immer voller Ideen und Spannung. Sehr gut Dietmar Fuhr am Bass, der eine Reihe überwiegend lyrisch-zarter Soli lieferte. Einfühlsam und differenziert spielend: Der Schlagzeuger Jens Dohle, mal treibend, mal locker kommentierend, immer verlässlich.

Jens Wülker, unbestritten der Star des Abends, ist ein hervorragender Instrumentalist auf der meist scharf und ohne Dämpfer gespielten Trompete ebenso wie auf dem weicheren, für die langsameren Stücke verwendeten Flügelhorn. Alle Stücke des Abends hat er selbst geschrieben. Seine Kompositionen sindharmonisch anspruchsvoll. Die Stücke beginnen meist mit einer solistischen Einleitung oder mit einem Unisono-Teil von Altsaxophon und Trompete bzw. Flügelhorn. Es folgen ausführliche improvisierte Partien aller fünf Musiker, gelegentlich unterbrochen von Einwürfen der Mitspieler, das Ganze steigert sich dann oft bis in heftige Fortissimo-Lautstärke und kehrt langsam, stufenweise in die ruhige Anfangsatmosphäre zurück, entweder abrupt und unerwartet abbrechend oder leise im Pianissimo verklingend.

Mir kam immer wieder der Gedanke an eine Art Reise, auf die Wülker sein Publikum mitnimmt. Viel Emotionalität ist im Spiel bei dieser Gruppe, und das obwohl die Musik eher norddeutsch-skandinavisch als amerikanisch klingt. Beleg dafür, dass inzwischen europäische Jazzmusiker immer mehr dabei sind, sich von den scheinbar übermächtigen amerikanischen Vorbildern abzusetzen. Wülker jedenfalls tut das mit Erfolg.

Es ist ja in Hameln nicht immer leicht für anspruchsvollen, modernen Jazz, ein Publikum zu begeistern. Ganz anders diesmal im "Lalu". Es gab immer wieder Zwischenapplaus und lebhafte Zustimmung zur Leistung beider Ensembles, besonders gefeiert wurde natürlich die "Nils Wülker Group" - und nicht zu vergessen, die Sängerin Inga Lühning. Mit ihrer weichen, sehr ausdrucksvollen Stimme steuerte sie drei sehr schöne, gefühlvolle Titel bei.

Es ging schon auf Mitternacht, als das vierte Hamelner "Jazztival" nach den obligatorischen Zugaben schließlich endete. Ein voller Erfolg im schönen Ambiente des Hefehofes.

© Dewezet, 30.10.2006