Von Martin Jedicke

Hameln . "Mission Impossible": Die Titelmelodie des gleichnamigen Thrillers ist der letzte Versuch von Stefan Olfers' "Saxophonics", mit einer Ohrwurmmelodie das Publikum für Jazzmusik zu gewinnen, die nicht bei erstem Hören wohlig den Gehörgang streichelt. Dennoch: Besonders bei der eigenständigen Version des Standards "A Night In Tunisia" lohnt sich ein Einlassen auf das Spiel der vier Saxophonisten. So bleibt die Mission ein missionarischer Versuch und Olfers verweist auf leichtere Kost am späteren Abend.

Und der wird im ausverkauften Lalu im Hefehof als ein Höhepunkt des Hamelner Konzertjahres in Erinnerung bleiben. Im Rahmen des dritten Hamelner JAZZtivals ist es dem Kulturbüro und dem Lalu gelungen, mit der schwedischen Sängerin Viktoria Tolstoy eine Künstlerin zu verpflichten, die in ihrem Heimatland bereits ein Star ist, jedoch seit einiger Zeit auch international erhöhte Aufmerksamkeit genießt. Die hat sie sich mit einer Stimme verdient, die kristallklar wie ein Gebirgsbach erklingen kann, aber mitunter auch kühl wie ein schwedischer Waldsee. Zweimal wagt sich Tolstoy an Aufnahmen heran, die Chaka Khan mit ihrer früheren Band Rufus aufnahm. Dabei gelingen hübsche Soul-Jazz-Versionen, doch der Voodoo-Zauber, den sie in "Magic In Your Eyes" besingt, mag sich nicht so recht entfalten. Nun wünscht man der blonden Skandinavierin nicht gleich eine Vita, die sich in einer Stimme niederschlägt, die eine Billie Holiday so spannend macht. Denn Tolstoy steigert sich im zweiten der beiden 50-minütigen Sets, wenn sie in der Svensson/Nyberg-Komposition "Equilibrium" mehr wagt, stimmlich lichte Höhen erklimmt und Täler durchwandert, Vokalimprovisationen einstreut, mehr aus sich herausgeht.

Geprägt wird Tolstoys Programm von den Songs der letzten beiden Platten, "Shining On You" und "My Swedish Heart". Tatsächlich schlägt ihr Herz für schwedische Volksmusik, die eine Symbiose mit dem Jazz eingeht, nachzuhören in dem von Ulf Wakenius arrangierten und in der Landessprache vorgetragenen"Jag Yet En Dejlig Rosa". Gern bedient sich Tolstoy auch aus dem Fundus schwedischer Jazzkomponisten, hervorzuheben sind hier Lars Gullin und Esbjörn Svensson, mit dem Tolstoy oft zusammenarbeitet.

Begleitet wird Viktoria Tolstoy von Jacob Karlzon am Flügel und Ulf Wakenius an der an Wes Montgomery geschulten E-Gitarre, die ihr Können in zahlreichen Soli beweisen und die Sonne in "Summer Calling" besonders kraftvoll scheinen lassen. Dazu gesellen sich der Schlagzeuger Peter Danemo und Hans Andersson, dessen dezidiertes Spiel auf dem Standbass die Streicher der Tonträger-Version vergessen und aus "Love Is Real" eine intime Ballade werden lässt. Karlzons Pianospiel macht "Danny's Dreaming" zu einem der schönsten Momente des Abends, während "The Morning Of You" so viel Pop-Appeal beinhaltet, dass für Viktoria Tolstoy noch ein Stuhl zwischen Norah Jones und Diana Krall frei sein müsste. Und hübsch genug, um in unserer Medienwelt dort Platz nehmen zu dürfen, ist die blonde Schwedin allemal. Was der Auftritt der Norwegerin Rebekka Bakken - vor einigen Wochen ebenfalls Gast im Lalu - aber bereits offenbarte, beweist auch dieser Freitagabend: Die wohl produzierten Klänge einer CD können die Live-Präsenz nicht ersetzen.
© Dewezet, 31.10.2005