Modelleisenbahn: digital und nostalgisch

Hameln. Jarik und Carolina sind beide neun Jahre und begeisterte Modelleisenbahn-Fans. Unermüdlich lassen sie die Züge der auf dem Boden aufgebauten Gartenbahn ihre Runden drehen. Schon kurz nach Mittag drängen immer mehr Modellbahn-Fans in die Räume des Vereins der „Eisenbahnfreunde Hameln“ am Hefehof. Drei Anlagen sind dort installiert. Neben der Gartenbahn im Format G eine Trix Express Anlage und die große Gleichstrom-Anlage im klassischen Format H0. Die wird zentral über ein elektronisches Stellwerk auf der Empore gesteuert, dort hat Vereinschef Sebastian Stukenbrock das Sagen. Güter- und Personenzüge fahren in unterschiedlichen Geschwindigkeiten über die mehr als 25 Meter langen Gleisanlagen.

Sogar eine grüne hannoversche Straßenbahn dreht ihre Runden entlang einer detailgenau aufgebauten Altstadt, macht rund ums Etablissement „Lila Eule“ eine Wendeschleife und setzt zur nächsten Runde durch die Stadt an. Unermüdlich wird überall gespielt und gefachsimpelt. Hans-Heinrich Markhof kennt sich aus wie kein Zweiter. „Meine erste Lok“, erinnert sich der 76-Jährige, „die habe ich mir heimlich gekauft. 1955 war das.“ Sein liebstes Stück aber ist ein Fantasiemodell. „Eine 20/54, die ich auf meiner Anlage als Ruhrpott-Werkslok einsetze.“ „So eine Anlage ist ständig im Bau und – hoffentlich – nie fertig“, meint auch der zweite Vorsitzende Axel Schwertfeger. An Nachwuchs fehlt es den Modellbahnern nicht. Selbst Tim, Schwertfegers zweieinhalbjähriger Sohn, kennt sich schon mit den verschiedenen Lokomotiven und Wagen aus. „Es sind die Jugendlichen etwa bis 15, und dann wieder die Familienväter und Senioren, die sich dem zeitaufwendigen Hobby widmen“, berichtet Schwertfeger. Bei den Eisenbahnfreunden mischen sich Formate und Stile. Es gibt viele Spezialisten unter den Modellbahnen. Die Angebote der führenden Firmen sind in verschiedene Epochen unterteilt. „Da kann man seine Anlage mit Modellen wie in den 50er und 60er Jahren ausstatten, aber auch der zeitgenössische ICE läuft bei uns“, erklärt Markhof. Derzeit zählt der Verein 34 Mitglieder, die sich jeden Dienstagabend zum gemeinsamen Spielen und Fachsimpeln treffen. „Natürlich beraten wir auch Eisenbahn- und Modellbahnfreunde“, so Schwertfeger.

Das Hobby hat sich in den vergangenen Jahren erheblich gewandelt. Gerade die Digitalisierung hat etwa den Loks nicht nur das Rauchen beigebracht (früher nur mit Patronen möglich), sondern sie zu kleinen und kostspieligen technischen Wunderwerken gemacht, die über automatische Kupplungen, den passenden Sound und viele andere Features verfügen. Vor allem die dem Modell angepasste Geschwindigkeit unterscheidet moderne von früheren Lokomotivgenerationen. Heute fahren sie in maßstabsgerechter Geschwindigkeit über die Anlage. „Nach dem Krieg hatte ich eine aufziehbare Federwerklokomotive“, erinnert sich Markhof. „Die ist immer mit einem Höllentempo losgerast und in der ersten Kurve aus dem Gleis geflogen.“

Ob nun alte Dampflok, Garten-, Güterzüge oder Straßenbahnen, an den Modellen der „Schautage“ kann man sich gar nicht satt sehen. „Klar, das ist natürlich auch ein Stück Erinnerung an den Modellbahnzauber der Kindheit“, kommentiert ein Besucher die Anlagen. „Aber das Hobby hat mit der modernen Entwicklung Schritt gehalten.“ Selbst über Smartphone und Tablet können die Bahnen gesteuert werden. Aussterbendes Hobby? Von wegen. „Von dem, was da heute über die Anlage rollt, konnten wir Jungs von damals doch nur träumen.“

Von Ernst August Wolf

Dewezet 29.02.16