Beim Skulpturen-Wettbewerb kann man Künstlern im Bürgergarten über die Schulter schauen

Von Karin Rohr Hameln.

Die Motorsäge kreischt, Späne fliegen: Der Mann, der sich da an einem Baumstamm zu schaffen macht, trägt nur ein dünnes Hemd. Es ist heiß im Bürgergarten. Nicht gerade die ideale Temperatur für schweißtreibende Arbeiten. Aber die Künstler, die hier hämmern, hobeln, meißeln oder mit Metall werkeln, stört das nicht: Sie sind konzentriert bei der Sache, scheinen ihre Umgebung kaum wahrzunehmen. Immer wieder bleiben Passanten stehen, wundern sich: „Was wird das denn?“ „Ja“, lacht Claudia Mann, die gerade dünne Furnierleisten über einem Holzgestell verleimt, „das ist die am häufigsten gestellte Frage.“ Sie kontert dann gern mit einer Gegenfrage: „Was glauben Sie, was das hier wird?“ So leicht will sie es den Schaulustigen denn doch nicht machen – schließlich sollen die erst mal hinsehen und selbst überlegen. Die Phantasie, die viele dabei an den Tag legen, findet die Düsseldorfer Künstlerin beeindruckend und ungemein spannend.

Mit Spekulationen wie „vielleicht eine Art Flugobjekt“ oder „irgendwie schiffig“ liegen die Betrachter von Claudia Manns noch im Werden begriffener Skulptur gar nicht so falsch: „Luft und Wasser, Flugobjekte und Schiffe haben mich immer fasziniert“, erzählt die Künstlerin, die zum ersten Mal an diesem 2. Hamelner Skulpturen-Wettbewerb im Bürgergarten teilnimmt. Zwar hat man ihr schon öfter bei der Arbeit über die Schulter schauen können – aber in Hameln sei das anders: „Hier ist das Publikum touristisch angehaucht und man wird irgendwie als Event gefeiert – das ist ungewöhnlich“, findet sie, mag aber die Fragen, die man ihr stellt. „Holz“, sagt Claudia Mann, „das ist ein sehr schönes Material.“ Das finden offenbar auch ihre Kollegen; denn auffallend häufig wird bei diesem Wettbewerb mit Holz gearbeitet. Jan D. Ehlers, Olaf Klepzig, Tzvetanka Koykova, Uli Mathes oder Judith Franke – sie alle verbindet die Liebe zum Holz, auch wenn sie aus ganz unterschiedlichen Regionen und Ländern kommen. Während die anderen dicke Baumstämme bearbeiten und Judith Franke Blase um Blase – „So eine Art Schaum“ – aus ihrem Holz herausholt, steht bei Claudia Mann schon ein Skelett: dominant und weithin sichtbar.

Ähnlich der Karweel-Beplankung von Holzbooten überzieht die Künstlerin dieses Skelett mit dünnen Furnierleisten, die sich an die bizarre Konstruktion förmlich zu schmiegen scheinen. „Sie sind wunderbar biegsam,“ sagt die Düsseldorferin, die durchaus nicht nur mit Holz arbeitet, sondern auch gern synthetische Materialien benutzt, um organische Effekte zu erzielen, zum Beispiel bei ihren Abformungen aus Latex, die wie Gesteine aussehen. Bei ihrer aktuellen Skulptur kommt über das Holz noch „eine Schicht aus Glasfaser mit Polyesterharz“, erklärt sie – und stemmt mit einer kraftvollen Bewegung das Gestell hoch: „So wird das Objekt einmal stehen.“

Erstaunlich, wie schnell sich die Assoziationen zu einem Flugobjekt oder Schiff in Luft auflösen: Jetzt erinnert die noch unvollendete Skulptur eher an eine schräg im Wasser liegende Boje. Ist sie erst einmal beschichtet, mag sich auch dieser Eindruck wieder verflüchtigen. Gut so. Denn: Die Phantasie anregen – das wollen sie alle, die Künstler im Bürgergarten, die noch bis Samstag an ihren Plastiken arbeiten. Danach nimmt eine Jury die Werke in Augenschein, bevor sie versteigert werden. Schauen und staunen aber kann man jetzt schon – die ganze Woche lang. Ein Flugobjekt? Oder eine Art Schiff? Claudia Mann aus Düsseldorf verleiht mit ihrer noch unvollendeten Skulptur der Phantasie Flügel. Bis Samstag kann man den Künstlern des 2. Hamelner Skulpturen-Wettbewerbs im Bürgergarten über die Schulter schauen.