Dr. Norbert Blüm erheitert Zuhörer im „Lalu“ und schockt mit Ausführungen zur modernen Sklaverei

Hameln (roh).
Zwar blieben einige Stühle im Hefehof während der vom Hamelner Forum organisierten Veranstaltung leer, was dem immer noch kämpferischen ehemaligen Bundesarbeitsminister aber nichts auszumachen schien. In seinem rund einstündigen Plädoyer für „ehrliche Arbeit“ – so der Titel seines neuen Buches – zitierte Blüm Märchen, sich selbst und immer wieder auch mal seine Oma. Nicht zuletzt waren es aber die Aussagen der mächtigsten Männer der Finanzwirtschaft, die Blüm erstens nach Belieben und aus dem Effeff beherrscht und zweitens mit großem Eifer förmlich in der Luft zerriss, die seinem Vortrag die Würze verliehen. Nicht umsonst lautet der Untertitel seines Buches: „Ein Angriff auf den Finanzkapitalismus und seine Raffgier.“ Aber nicht nur den Bankern geht Blüm wortgewaltig an den Kragen: „Nie hat sich eine Wissenschaft so sehr blamiert wie die Wirtschaftsprofessoren bei der Finanzkrise“, erklärt Blüm mit einem schelmischen, fast schadenfrohen Lachen.

Für den gelernten Werkzeugmacher steht fest: „Ich verwette mein bescheidenes Vermögen darauf, dass die globale Finanzwirtschaft keine 20 Jahre überleben wird.“ Längst habe sich reale Arbeit von der Finanzwirtschaft abgekoppelt. „Porsche hat in einem Jahr elf Milliarden Euro Gewinn gemacht, allerdings nur sieben Milliarden Euro Umsatz“, nennt Blüm eines von zahlreichen Beispielen dafür, dass sich mit Geld mehr verdienen lasse als mit Arbeit. Leidenschaftlich beschreibt der Bundesarbeitsminister a.D., wie Manager den Börsenwert ihrer Unternehmen steigern, indem sie Personalkosten minimieren. Und auch wenn die typisch Blümsche Erzählweise immer wieder für Lacher und Erheiterung sorgt, so gelingt es dem erfahrenen Redner zumindest einmal, seine Gäste, die an seinen Lippen kleben, zu schocken. Dann nämlich, wenn er von seinen Reisen berichtet, auf denen er den Menschen begegnet ist, die am Ende einer Personalkostenreduzierungskette stehen: Kindern. „In Sri Lanka habe ich in den Webereien Kinder gesehen, die für einen Tag Arbeit einen Euro bekommen.“ Wie es der Zufall wollte, sei ihm der deutsche Handelsvertreter einer Textilfirma über den Weg gelaufen, der, von Blüm auf die niedrigen Löhne angesprochen, salopp erklärte: „Och, wir verlegen die Produktion in Kürze nach China, da ist es noch billiger.“ Blüm berichtet von Kindern, die in kolumbianischen Bergwerken schuften und nach denen keiner fragt, wenn sie verschüttet werden. Spätestens bei der Erwähnung der Kinder, die in chinesischen Steinbrüchen arbeiten, blieb auch dem letzten Gast an diesem Abend die Spucke weg. Taufrisch sind schließlich noch die Erinnerungen an die Diskussionen um die Altstadtsanierung und die Frage, welche Pflastersteine die richtigen sind. Die Trickserei an den Finanzmärkten fördere, so Blüm, eine moderne Form der Sklaverei. Ausbildung nämlich sei für die ohnehin an Personal sparenden Unternehmen besonders teurer. In diesem Zusammenhang bedeute der Ruf nach ausländischen Fachkräften: „Wir lassen unsere Fachkräfte billig im Ausland ausbilden, um dann mit ihnen hierzulande Profit zu machen. Früher wurden Sklaven anhand ihres Gebisses und ihrer Muskelkraft bewertet, heute sind es die Qualifikationen. Wo ist der Unterschied?“ Voller Zynismus fügt Blüm an: „Elfenbeinschmuck und Pelzmäntel sind längst stigmatisiert. Wenn wir bei der Kinderarbeit doch nur schon so weit wären wie beim Tierschutz.“ Auch in der Diskussion mit den Zuhörern gelang es dem Politiker seine Kernbotschaft zu vermitteln: „Ehrliche Arbeit muss sich lohnen. Hungerlöhne führen zu Hungerrenten. Niemals zuvor konnten Menschen so viel wie in diesen Zeiten, aber nicht alles, was wir können, dürfen wir auch.“ Auf keinen Fall sei er Sozialist oder sehe sich als Politikromantiker, sondern als einen Anwalt der Arbeiter.

„Ja, hör’n Se ma…“ – Norbert Blüms eloquenter und humorvoller Erzählstil brachte die Gäste häufig zum Lachen. Bei seinen Ausführungen zur Kinderarbeit aber blieb den Zuhörern das Lachen im Hals stecken