Olaf Klepzig gewinnt zweiten Hamelner Skulpturenwettbewerb / Versteigerung am Samstag

Von Alda Maria Grüter Hameln.

Ist die „Unvollendete“ mit dem von Künstlerhand geformten Gebilde in ihrem hölzernen Bauch so, wie sie da in voller Länge mit all den rauen Ecken und Kanten auf dem weichen Grün des Bürgergartens ruht, denn vollendet? Oder müsste der Berliner Bildhauer möglicherweise noch mal ran an das Werk, das er während der Skulpturen-Erstellungswoche vielleicht aus Zeitgründen nicht zur Vollendung hat bringen können? Die „Unvollendete“ sei durchaus vollendet: „Sie muss bloß noch aufgestellt werden“, sagt Uli Mathes. Erklärt außerdem, dass ein Künstler, der sein Werk nicht „total verfriemeln“ wolle, halt irgendwann einmal aufhören müsse – um allerdings sogleich zu bemerken, dass selbst der berühmte Michelangelo nicht alles zum perfekten Abschluss gebracht habe. Nun denn, Kunst zu kapieren, ist manchmal keine leichte Kunst. Allein, wenn schon der Titel Fragen aufwirft. Gleichwohl: Auf den Holzweg soll der Betrachter damit nicht geschickt, vielmehr zur tieferen Auseinandersetzung mit künstlerischen Formen herausgefordert werden.

Dass es in erster Linie die Jury (Dr. Jobst-Walter Dietz, Ute Fehn, Gaby Willamowius, Klaus Frede, Harald Wanger) ganz genau wissen will, ist logisch. Die ist ja angetreten, um die besten Objekte des Hamelner Groß-Skulpturen-Wettbewerbs zu prämieren, das die Kulturstiftung Hameln und der Landschaftsverband Hameln ausgelobt haben. Das nun das zweite Mal – wobei die Zahl Zwei am Ende erneut in doppelter Form aufs Podest gehoben werden soll. Zunächst aber zu den Kreativen und ihren Werken: Bäume sind das favorisierte Material, trotzdem ist lange nicht alles aus einem Holz geschnitzt. Erstaunlich vielfältig, was die sieben Künstler in gerade einmal sieben Tagen eigenhändig auf die Beine gestellt haben. Annabella Claudia Hofmann aus Tenno, Italien, hat unterschiedliche Materialien in einem filigranen Gerüst vereint. Äußerlich aus Edelstahl, doch unter anderem Holz, altes Zeitungspapier, Klebeband, Fiberglas, Harz, Ton, Silikon und Hanf stecken im Kern der Frau, die sich, ihr Gesicht dem Himmel zugewandt, aus einer nach oben offenen Kugel zu befreien scheint. Nichts hat die Künstlerin dem Zufall überlassen, jedem Element, das sich netzartig zu einer Kugel formt, haftet Symbolkraft an. Die Intention: Es verdeutlicht, wie sich eine Frau von den „schlechten“ Konventionen und Vorschriften der Gesellschaft befreit. „Cidem“ lautet der Titel der Skulptur, der kurios klingt und doch sehr passend ist: Annabella Claudia Hofmann hat sie nach der kurdischen Frau benannt, die nebenan im Wienerwald arbeitet. Auch die 28-jährige Claudia Mann, Künstlerin aus Düsseldorf und Studentin an der dortigen Kunstakademie, vereint in ihrer Skulptur, die gleichermaßen Assoziationen mit einem Ahornblatt und einem Flugobjekt weckt, verschiedene Materialien. Ob thematisch oder in der Wahl der Stoffe: Tzvetanka Koykova aus dem belgischen Lochristi, Judith Franke aus Wurzbach, Jan Ehlers aus Emmerthal und Olaf Klepzig aus Rabenau ist der Bezug zur Region gemeinsam. Judith Franke ließ sich von Weserschaum-Wasserblasen inspirieren, Tzvetanka Koykovas „Love and Peace“ Skulptur entstand aus einer heimischen Eiche. Jan Ehlers hat mit einer Thuja – dieses Gewächs kennen die meisten wohl nur als kleines, Hecken formendes Lebensbäumchen – nach Visionen und Sternen gegriffen: Ohne die wäre der Mensch immer noch in der Steinzeit, erklärt er.

Olaf Klepzig aus Rabenau wählte für seine Arbeit eine stolze 120 Jahre alte Eiche, die eine Hofeinfahrt in Holtensen schmückte, bevor sie aus Sicherheitsgründen gefällt wurde, und der freischaffende Künstler sie zum „Windmodulator“ formte. Als er Skizzen für das 5,10-Meter-Objekt erstellte, sei er unbewusst an Eduardo Chillida erinnert worden – weswegen er es dem baskischen Bildhauer und Zeichner widmete. Tatsächlich entdeckt man in Klepzigs Arbeit jene raumgreifenden Strukturen, die auch für den bedeutendsten Bildhauer des 20. Jahrhunderts charakteristisch sind. Welche Bewertungskriterien letztlich ausschlaggebend sind, verrät die Jury nicht. Olaf Klepzigs Werk jedenfalls überzeugt: Der erste, mit 1000 Euro dotierte Preis, geht somit zum zweiten Mal an den Künstler, der auch schon beim Wettbewerb 2009 als Bester hervorging. Und noch einmal die Zwei: Zwei dritte Preise verteilt die Jury an Judith Franke und Claudia Mann, Annabella Claudia Hofmann schafft es mit ihrer Frauen-Skulptur auf den zweiten Platz. Sämtliche Objekte sind im Bürgergarten zu sehen, bis sie am Sonnabend, 12 Uhr, zur Versteigerung angeboten werden. Ob der Hamelner Wind darüber hinaus noch durch die geschwungenen Leerräume von Olaf Klepzigs „Windmodulator“ pustet, hängt von dem ab, der ihn ersteigert – vielleicht bleibt der Baum aus Holtensen ja auch in der Rattenfängerstadt. Eine Woche lang haben die Künstler im Freiluftatelier Hamelner Bürgergarten gearbeitet.