Hameln. Er ist ein Meister der flinken Zunge: Wortgewandt, bissig und mit pointiertem Witz nimmt Kabarettist Matthias Brodowy gesellschaftliche und politische Befindlichkeiten aufs Korn, seziert den ganz normalen Wahnsinn eines bundesdeutschen Alltags, der gemeinhin im kollektiven Jammern kulminiert. Ob hyperaktive Kleinaktionäre, Discount-Bestatter oder dicke Damen auf Rolltreppen, die schuld sind an der Rezession – bei dem „Lucky Luke“ der Bühne, der schneller spricht als sein Schatten, bekommt jeder sein Fett weg.

In der Dewezet-„Nachtausgabe“ im HefeHof-Lalu outete sich der Kabarettist aus der „kleinen Nachbarstadt“ Hannover mit seinem brandneuen Programm „Voll ins Schwarze...“ als echtes Kind der wilden 70er Jahre, jener „Zeit der Wahnsinnstapeten“, als irrsinnige Muster eine bewusstseinserweiternde Wirkung erzielten und das Sofa so glatt zur Droge wurde. Da gab’s noch „echte Freunde“ wie Clementine und Meister Proper. Und auch noch den Fernsehsendeschluss. Eine Erfahrung, die zukünftigen Generationen verwehrt bleibt. Schade.

Mit beißendem Spott rückt Brodowy jenen Mechanismen zu Leibe, die das menschliche Miteinander so „lustvoll“ machen: Die Blockflöten-trötende Kinderschar, zum Beispiel, die alljährlich zur Adventszeit in Seniorenheimen einfällt und armen Alten, die sich nicht wehren können, die Ohren vollfiept. Oder jener furchteinflößende „Godfather of Pisspott“, Porzellan-Pate einer im Toilettentrakt von Autobahnraststätten allgegenwärtigen Fäkal-Mafia, die sich Bedürftigen in den Weg stellt.

Oder der Fahrer des Luxus-Schlittens, der mit 300 km/h an uns vorbeirauscht und uns gerade noch einen Blick auf seinen Heck-Aufkleber gönnt: „Eure Armut kotzt mich an“.
Zum Trost für menschliche Unzulänglichkeiten aber gibt’s für jede Lebenslage längst das eigene Hochglanzmagazin – im Warteraum des Arztes. „Da sind 10 Euro doch gut investiert“, findet Brodowy.

Egal, ob Kirche, Bahn oder Politiker – der Kabarettist drischt auf alles ein, macht uns mit neuen Maßeinheiten vertraut (Wie nennt man den Abstand zwischen zwei Fettnäpfchen? Richtig: 1 Stoiber), führt ins „vernetzte Denken“ zur Ökosteuer ein, gibt Tipps, wie man das Buffet noch vor dem Gastgeber eröffnet, oder erklärt, warum Cabrios nur für den Neidfaktor gut sind. Und wenn er gerade mal nicht spricht, setzt sich dieser Handlungsreisende in Sachen Spaß an die Klaviertasten, die das Leben so bequem in Schwarz und Weiß trennen, und singt uns die Arie vom „Don Sarotti“, den deutschen Trübsals-Reggae „Jammermamaika“, oder jenes sommerliche Liebeslied mit tragischem Ende, das sein „seltsames literarisches Ich“ vergeigt hat.

Am Ende: Stürmischer Applaus für einen gnadenlosen Spötter, ein wohlmeinender Ratschlag des Kabarettisten: „Mensch, ärger’ dich nicht“, und ein romantisch-pathetisches Gute-Nacht-Lied für den Nachhauseweg.