Fotorealistische Hilfe für Planer: Am Rechner von Jens Reinheckel ist das Service-Center der Nürnberg Messe bereits fertig – tatsächlich ist der Komplex noch im Bau.

Er hat die Niederlassung von DaimlerChrysler in Moskau und das Coaching-Center von VW in Wolfsburg „gebaut“, lange bevor sie standen: Derzeit arbeitet der 36-jährige Spezialist für Multimedia-Visionen an seinem bis dato größten Auftrag – der fotorealistischen Computer-Simulation des Service-Centers für die „Nürnberg Messe GmbH“. Was der Geschäftsführer von „Raumvisionen“ (Hefehof) mit seiner vierköpfigen Crew an acht Hochleistungs-Rechnern auf Grundlage von papierenen Architektenplänen zaubert, versetzt Aufsichtsräte und Vorstände von Bauträger-Gesellschaften und Banken, aber auch mehr und mehr Kommunen in Erstaunen.
„Wir arbeiten mit der authentischen Darstellung des Lichtes, die wir mathematisch/physikalisch berechnen“, sagt der Elektroniker, seit ’99 Mitglied der „Deutschen Lichttechnischen Gesellschaft“ (LiTG, Berlin). Und ergänzt: „Dadurch wirken die virtuellen Gebäude absolut authentisch.“ So auch die Außen- und Innenansichten des Service-Center der „Nürnberg Messe GmbH“ mit seinen 35 000 Quadratmetern Ausstellungs- und Konferenzfläche. Obwohl der 60 Mio Euro teure Komplex tatsächlich noch im Bau ist, hat Reinheckel die spätere stoffliche Realität bereits virtuell vorweggenommen. Schein ist von Sein nicht mehr zu unterscheiden. Interessant dabei: „Wir arbeiten Bauherren-orientiert“, sagt der gebürtige Chemnitzer. „Eventuelle Schwachstellen in den Plänen der Architekten werden in der Computer-Simulation sichtbar, bevor es zu spät ist.“ Möglich macht das ein kluger Mitarbeiter-Mix aus (Innen-)Architekten, Informatikern und Designern, die mit Spezial-Software arbeiten: für Gebäudemodulation und Lichtsimulation, Bildbearbeitung und – Schnitt. Die Ergebnisse werden vom PC auf Video oder DVD überspielt oder „nur“ ausgedruckt. Sie dienen als Grundlage für Präsentationen, Prospekte und Bauschilder, lassen sich aber auch in Internet-Homepages integrieren. Indes: Genauso, wie Reinheckel die Zukunft am Rechner vorwegnehmen kann, kann er auch die Vergangenheit rekonstruieren. Etwa das Aussehen Hamelns 1284, zur Zeit des Pfeifers. Oder jene Jahre, da die Rattenfängerstadt als Landesfestung das „Gibraltar des Nordens“ war. Es müssen nur genug Archivalien vorhanden sein. Gewinnbringende Einsatzgebiete gibt es viele: Etwa als Historien-Video für Touristen im Info-Center. Oder als lehrreiches Computer-„Spiel“ für Schüler. Die Stadt, für die „Raumvisionen“ unlängst das virtuelle Modell des – bebauten – Wohnparks Hottenbergsfeld geschaffen hat, ist interessiert.
Ein zweieinhalbstündiges Gespräch mit Stadtmanager Andreas Nels und HMT-Chef Harald Wanger hat’s bereits gegeben. „Herr Reinheckel kann das technisch leisten“, ist Wanger überzeugt. Komme man zusammen, müsse allerdings das ganz große Rad gedreht werden. „Der Kreis der Interessenten“, so der HMT-Chef, „müsste über den der Hameln-Besucher weit hinausgehen.“ Überregionale Multiplikatoren seien gefragt, um mit dem Mittel der Rekonstruktion weltweit für den Pfeifer zu werben. Doch auch jenseits dieser Zukunftsmusik ist für den Unternehmer klar: „,Raumvisionen’ steht 2003 sehr gut da – ich kann den allgemeinen Pessimismus nicht teilen.“ Denn anders als nicht wenige Kollegen aus der Branche, die längst die Flinte ins Korn werfen mussten, ist die ’96 in Salzhemmendorf gegründete und seit Dezember 2002 im Hefehof ansässige Firma bewusst langsam gewachsen; hat – zu Gunsten der Qualität – lieber auf den einen oder anderen Auftrag verzichtet. Dennoch gibt’s inzwischen je ein Büro in Ansbach und Pöchlarn (Österreich).